BGH: Keine Pflicht zur vorgerichtlichen Info über Täter nach Filesharing-Abmahnung

Leitsatz des BGH

In seinem Urteil vom 17.12.2020 (Az. I ZR 228/19) hat der BGH folgendes entschieden:

"Zwischen dem Rechtsinhaber, dessen urheberrechtlich geschütztes Werk ohne seine Zustimmung über eine Internettauschbörse öffentlich zugänglich gemacht wird, und dem hierfür nicht als Täter, Teilnehmer oder Störer verantwortlichen Inhaber des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, besteht regelmäßig keine gesetzliche Sonderverbindung, die den Anschlussinhaber dazu verpflichtet, den Rechtsinhaber vorgerichtlich über den ihm bekannten Täter der Urheberrechtsverletzung aufzuklären."

Die Vorinstanzen waren AG Landshut (Entscheidung vom 25.01.2019, Az. 10 C 985/18) und das LG München I (Entscheidung vom 13.11.2019, Az. 21 S 2205/19).

Die Entscheidung des Gerichts beruht auf § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 677, 683 S. 1, § 826 BGB und § 97a Abs. 3 UrhG.

Details der Entscheidung

Am 5. November 2013 wurde das Computerspiel "Saints Row 3", dessen ausschließliche Nutzungsrechte die Klägerin innehat, über den Internetanschluss des Beklagten in einer Tauschbörse öffentlich zum Herunterladen angeboten. Der Internetanschluss versorgte die beiden Hälften eines Doppelhauses. Die eine Hälfte bewohnte der Beklagte mit seiner Tochter, die andere die Lebensgefährtin des Beklagten mit ihrem Sohn. Zum maßgeblichen Zeitpunkt hatte die Lebensgefährtin des Beklagten vorübergehend eine Arbeitskollegin mit deren beiden Söhnen bei sich aufgenommen. Auch diesen Personen stand der Internetanschluss des Beklagten zur Verfügung. Auf die Abmahnung der Klägerin mit Schreiben vom 13. März 2014 gab der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, teilte aber gleichzeitig mit, er selbst habe das Spiel nicht öffentlich im Internet zugänglich gemacht. Weitere Hinweise auf den Täter der Urheberrechtsverletzung gab er zu diesem Zeitpunkt nicht, obwohl er bereits in Erfahrung gebracht hatte, dass der ältere Sohn der Arbeitskollegin seiner Lebensgefährtin die Urheberrechtsverletzung begangen hatte.

Der BGH hatte sich u.a. mit der Frage zu befassen, ob der Abgemahnte den Abmahnenden im Vorfeld der gerichtlichen Auseinandersetzung darüber hätte informieren müssen, dass er Kenntnis über den Täter der Urheberrechtsverletzung hatte. Letztlich war fraglich, ob daraus ein Anspruch auf Schadensersatz entstanden ist. Das Gericht führt dazu aus:

"Entgegen der Auffassung der Revision ist der Beklagte der Klägerin nicht nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrag zum Schadensersatz verpflichtet. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Unterlassungserklärung des Beklagten begründe für ihn keine Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB, den wahren Täter zu benennen, ist nicht zu beanstanden. [...] Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht des Beklagten nach § 241 Abs. 2 BGB auf Grundlage eines anderen gesetzlichen Schuldverhältnisses verneint. Der Beklagte ist für die über seinen Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung nicht verantwortlich (dazu C III 3 a). Seine Anschlussinhaberschaft für sich genommen begründet keine Sonderverbindung zur Klägerin (dazu C III 3 b). Die Abmahnung der Klägerin stellt keine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag für den Beklagten dar, aus der Nebenpflichten folgen könnten (dazu C III 3 c)."

Einen Anspruch auf Schadensersatz auf Grundlage eines Verschuldens bei Vertragsschluss verneinte der BGH:

"Der von der Revision offenbar daneben für möglich erachtete Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss (§ 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Versendung einer unberechtigten Abmahnung für sich genommen noch keine vorvertragliche Beziehung im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB begründet."

Zudem schloss das Gericht hier einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus:

"Auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB steht der Klägerin im Streitfall kein Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung ihrer Prozesskosten zu. Eine solche Haftung des zu Unrecht Abgemahnten erscheint zwar nicht generell ausgeschlossen (vgl. hierzu auch Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 11.78 mwN; LG Frankfurt, ZUM-RD 2020, 75 [juris Rn. 72 ff.]). Sie wird jedoch entgegen der Ansicht der Revision nicht allein durch die unterbliebene Nennung des wahren Täters vor der gerichtlichen Inanspruchnahme begründet. [...] Ein Unterlassen kann die guten Sitten nur dann verletzen, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16 mwN). Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; die Revision rügt auch nicht, dass insoweit Tatsachenvortrag übergangen worden sei."