BGH: Weite Auslegung des Auskunftsanspruchs gem. Art. 15 DSGVO
Der Hintergrund
Die entscheidende Frage, die der BGH im Rahmen der Revision zu beantworten hatte, war die der Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO. Die Karlsruher Richter gingen von einer sehr weiten Auslegung aus und äußerten sich dazu wie folgt:
"Nach diesen Grundsätzen können entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zurückliegende Korrespondenz der Parteien, das 'Prämienkonto' des Klägers und Daten des Versicherungsscheins sowie interne Vermerke und Kommunikation der Beklagten nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ausgeschlossen werden."
Die Entscheidung
In puncto personenbezogene Daten führt der BGH aus:
"Gemäß Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO sind "personenbezogene Daten" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach dieser Definition und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. - noch zu Art, 2 lit. a der Richtlinie 95/46/EG - EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - Rs. C-434/16, NJW 2018, 767 Rn. 33-35 mwN; Art.-29-Datenschutzgruppe, Stellungn. 4/2007, WP 136, 10 ff.; zu Art. 4 Nr. 1 DS-GVO vgl. Arning/Rothkegel in Taeger/Gabel, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2019, Art. 4 DS-GVO Rn. 8 ff. mwN; Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO Rn. 11 ff.; Klabunde in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 10 f.)."
Auch hier legt der BGH also ein sehr weites Verständnis des Begriffs der personenbezogenen Daten und damit der generellen Anwendung des Datenschutzrechts an den Tag. Zudem führt dies dazu, dass eine Vielzahl von Daten vom Auskunftsanspruch umfasst und im Zweifel auch dementsprechend viele Unterlagen a) zusammenzustellen und b) an den Betroffenen herauszugeben sind. Das wiederum verursacht regelmäßig einen nicht zu unterschätzenden Aufwand auf Seiten des Verantwortlichen. Alle Unternehmen, Behörden und Vereine tun also gut daran, sich allerspätestens jetzt auf die Ausübung von Betroffenenrechten - häufig in Form des Auskunfts-, bisweilen aber z.B. auch des Löschanspruchs - einzustellen und dementsprechende Vorbereitungen zu treffen. Die Vorgaben der DSGVO verlangen ohnehin ein funktionierendes Datenschutz-Management-System (DSMS).
Hinsichtlich der von Seiten des Betroffenen verlangten Auskunft über interne Kommunikation / Vermerke sah der BGH den Anspruch als gegeben an:
"Interne Vermerke oder interne Kommunikation bei der Beklagten, die Informationen über den Kläger enthalten, kommen als Gegenstand des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ebenfalls grundsätzlich in Betracht. Dies ist beispielsweise entsprechend der Beurteilung der Schreiben des Klägers bei Vermerken der Fall, die festhaften, wie sich der Kläger telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert hat (vgl. OLG Köln, VersR 2020, 81, 85; Schaffland/Holthaus in Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Lfg. 3/21, Art. 15 DS-GVO Rn. 1d). Auch Vermerke über den Gesundheitszustand des Klägers enthalten personenbezogene Daten. Die Erwägung des Berufungsgerichts, es handele sich bei Vermerken um "interne Vorgänge der Beklagten", ist im Hinblick auf den Begriff der personenbezogenen Daten ohne Relevanz. Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO setzt offensichtlich weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck voraus, dass die fraglichen Daten extern zugänglich sind."
Eine Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH kam aus Sicht des BGH hier nicht in Betracht:
"Die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung des Begriffs der personenbezogenen Daten i.S.d. Art. 15 i.V.m Art. 4 Nr. 1 DS-GVO ist nicht geboten. Soweit im derzeitigen Stadium des streitgegenständlichen Verfahrens entscheidungserheblich, ist die Auslegung dieses unionsrechtlichen Begriffs durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteile vom 20. Dezember 2017 - Rs. C-434/16, NJW 2018, 767 Rn, 33-35 und vom 17. Juli 2014 - Rs. C-141/12 und C-372/12, CR 2015, 103 Rn. 39 ff.) eindeutig geklärt ("acte clair", vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG, NVwZ 2015, 52 Rn. 35)."
Letztlich stellt der BGH an die Klagebegründung bzw. an die Formulierung des Klageantrags keine allzu hohen Anforderungen:
"Zur Ermittlung des Klagebegehrens ist nicht allein auf den Antrag selbst abzustellen, sondern auch die Klagebegründung heranzuziehen (vgl. etwa Senatsurteile vom 1. Februar 2011 - VI ZR 345/09, AfP 2011, 172 Rn. 9; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269 Rn. 13; jeweils mwN). Danach besteht im Streitfall kein Zweifel, dass der Kläger nicht irgendeine "Datenauskunft" (so der Antragswortlaut) verlangt, sondern eine Auskunft über die von der Beklagten verarbeiteten, ihn betreffenden personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Auch die Reichweite dieses Begehrens ist hinreichend bestimmt. Dabei kann dahinstehen, ob insoweit nicht schon das Verlangen einer "vollständigen" Auskunft genügt, weil sich deren Umfang letztlich aus dem Gesetz ergibt (in diesem Sinne König, CR 2019, 295 Rn. 9-11; aA wohl Schulte/Welge, NZA 2019, 1110, 1112),"
Die Entscheidung (Urt. v. 15.06.2021, Az.: VI ZR 576/19) des Gerichts beruht im Wesentlichen auf Art. 15 DSGVO und § 362 Abs. 1 BGB.